Alles hättest du haben können

Anna Herzig zeigt in ihrem Roman Die dritte Hälfte eines Lebens eine Dorfgemeinschaft, die in der österreichischen Literatur oft beschrieben wurde. Es gibt die erbarmungslose, kollektive ‚Erinnerungsmaschine‘, die weder vergisst noch verzeiht und jemanden wie Seppi oder El-Kah-Ih zu Außenseiter_innen macht, divers ist nämlich höchstens die Obst- und Gemüseecke. Alles kann man haben, wenn man nur nicht auffällt. Herzig widmet sich aber nicht nur der Einsamkeit und Kränkung in solchen Gefügen, sondern auch den Zweckgemeinschaften, die daraus entstehen können. In (ein)geübter Ironie und düsteren Bildern erfahren wir Stück für Stück davon, was „mal war oder auch nicht“ und welche Weggabelungen des Lebens sich auftun. Die Komposition des Romans ist versiert gemacht, die sprachliche Umsetzung bleibt – bei aller aufgebrachten Empathie für die Figuren – zu sehr an der Oberfläche und hebt sich kaum ab von anderen Dorfromanen.
DM
Anna Herzig: Die dritte Hälfte eines Leben S. 130 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg und Wien 2022 EUR 22,00