Eine Standhafte
Anita Leocádia Prestes, die Tochter der Antifaschistin und Kommunistin Olga Benario, schreibt eine biografische Annäherung an ihre Mutter. Anita wurde im Frauengefängnis Barnimstraße geboren und entkam den Nazis lebend. Sie hatte das Glück, dass ihre Großmutter und ihre Tante unermüdlich für ihre Freilassung kämpften und dass eine internationale Kampagne Druck auf die Nazi-Behörden ausübte, Olga Benario und ihre Tochter freizulassen. So wurde Anita mit 14 Monaten ihrer Großmutter väterlicherseits übergeben, die sie nach Brasilien mitnahm, wo sie noch heute als Historikerin lebt. Olga Benario wurde 1942 in Ravensbrück ermordet. Nach einem kurzen biografischen Abriss und der Darstellung von Olgas politischem Werdegang konzentriert sich die Autorin auf die Zeit, nachdem ihre Mutter hochschwanger aus Brasilien ausgewiesen wurde und in Deutschland von einem KZ ins nächste verfrachtet wurde. Sie wurde massiv schikaniert, weil sie sich standhaft weigerte, ihre Gesinnung aufzugeben. Der Text stützt sich auf bisher unveröffentlichte Gestapo-Akten, die in Moskau archiviert waren und die erst 2015 wieder zugänglich wurden. Ebenfalls (wieder) abgedruckt sind in dem Band Teile des Briefwechsels zwischen Olga und Anitas Vater Luís Carlos Prestes. Am Ende steht außerdem ein Interview mit der Autorin. So erfährt die Leserin auch viele neue Details, die in den Biografien (von Ruth Werner aus 1961 und von Fernando Morais aus 1989) noch nicht vorkommen und der Text kann als ausführlichere Ergänzung zu diesen verstanden und gelesen werden. Die Tatsache, dass Anita über das Schicksal ihrer Mutter schreibt, die sie nie gekannt hat, deren Leben sie für sich und uns zusammensetzt und nachzeichnet, macht den Text berührend und eindringlich.
Wanda Grünwald
Anita Leocádia Prestes: Olga Benario Prestes. Eine biografische Annäherung. 115 Seiten. Verbrecher Verlag, Berlin 2022 EUR 17,00