Kategorie: Belletristik

Nachkriegswehen und Konjunktur

Wer oder welche in den 60er und 70er Jahren nicht dabei war, sollte dieses Buch umso dringlicher lesen: Scheitelknien, Marterpfahl – alltägliche elterliche und kindliche Brutalitäten werden prägnant erzählt. Besonders das Gewaltmittel der Annäherung im Gespräch fällt auf. Rückt die Mutter nahe, ist Ungemach im Busch: So werden Weitpisswettbewerbe der...

„They did not look after me“

Auch in ihrem neuen Roman verarbeitet Ulrike Edschmid das Leben eines vormaligen Geliebten als neutrale Chronistin. Die Geschichte beginnt 1972, als die aus Berlin kommende Ich-Erzählerin zu einem Filmfestival nach London fährt. Sie beschäftigt sich dort auch mit Solidaritätsarbeit für eine Gruppe von acht Personen, die einen Bombenanschlag verübt haben...

Scharfsichtige Analyse

Die Pest in Zeiten der politischen Pest, so beschreibt Ljudmila Ulitzkaja das Setting ihres Textes, den sie auf Grundlage von Erzählungen über ein wahres Ereignis entwickelt. In den 30erJahren hatte sich ein Forscher in einem Impfstofflabor mit Pestviren angesteckt und reiste danach zu einer Konferenz in Moskau. Die folgenden Ereignisse,...

Oktobermädchen

Geschichten aus der Kindheit, einer weiblichen Kindheit in Minsk im Weißrussland der 1980er Jahren, also unter noch sowjetischen Bedingungen. Es gibt da zwei Sprachen, das Weißrussische und das Russische, deren unterschiedlicher Stellenwert erst gelernt werden muss. Sowie gelernt werden muss, dass Lenin für die „Oktoberkinder“ in der Schule zwar äußerst...

Zwischen Feuer und Eis

Nicht wirklich eine Kriminalgeschichte, aber eigentlich doch: rund um das Verschwinden zweier russischer Mädchen im entlegenen Petropawlowsk, Hauptstadt von Kamtschatka, entfaltet sich der Roman der amerikanischen Autorin Julia Phillips. Zentral sind dabei Frauenfiguren mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, von Lehrerin über Ärztin, Vulkanologin bis Schülerin und Studentin, deren spezifische Situationen im...

Das Gute und das Schöne!

Durch Zufall beobachtet der junge, introvertierte Tomura den Klavierstimmer Itadori bei seiner Arbeit. Er ist von der akribischen Präzisionsarbeit Itadoris so sehr beeindruckt, dass er beschließt, nach der Schule eine Ausbildung als Klavierstimmer zu absolvieren. Danach fängt er in dem Betrieb zu arbeiten an, wo auch Itadori tätig ist. Eine...

Wer bekommt das Millionenerbe?

Die argentinische Schriftstellerin Enrietta ist tot, gestorben in der Schweiz. Das Testament nennt den konservativen Emilio, den Besitzer einer Klinik für Plastische Chirurgie in Buenos Aires, der für die Verstorbene vor langer Zeit fast so etwas wie ein Sohn war und die schöne Jana, die einst erfolgreiche Schauspielerin und späte...

Odyssee revisited

Noch ein Buch mit mythologischen Nacherzählungen? Muss das sein? Die Frage ist insofern falsch formuliert, als dass sie nicht auf den Perspektiventausch in der Handlungsdarstellung eingeht, der hier vorgenommen wird. Die studierte Altphilologin Madeline Miller nimmt die berühmte und gemeinhin übel beleumundete Hexe Circe in den Blick und berichtet aus...

Ohne Hündin kein Überleben

Keinerlei Berührungsängste mit dem Unglück zeigt Sophie Bienvenu in ihrem dritten Roman „Sam ist weg“. Aus Sicht des jungen Matthieu gibt sie Einblicke in das Leben eines Menschen, der mit seiner Hündin Sam, der einzigen Bezugsperson, wie er sagt, auf den Straßen Montréals lebt. Startpunkt ist die fieberhafte Suche nach...

Die Wildnis entdecken

Der Roman spielt Anfang der 1980er. Die Silberschmiedin Sarah Torun steht vor einer schwierigen Entscheidung. Bisher hatte sie jedes ihrer Schmuckstücke eigenhändig erschaffen. Nun gibt es das Angebot einer bekannten Firma, mit ihren Entwürfen in Produktion zu gehen. Soll sie zustimmen? Wäre ihr Schmuck dann noch ihr Schmuck? Oder wäre...